Sayyed Abbas Araghchi, Irans stellvertretender Außenminister, hat im Moment viel zu tun. Sein Boss, Minister Manoucher Mottaki, hatte eben noch intensive Verhandlungen auf der Irak-Konferenz in Sharm El-Sheikh geführt. Araghchi war es, der bei den vorbereitenden Gesprächen in Bagdad anwesend war. Im Gespräch mit der „Presse“ in seinem Büro im Außenministerium in Teheran dämpft er die Erwartungen. „Der Irak ist das Problem der USA. Vielleicht hat man in Washington nun verstanden, dass man die Kooperation der Nachbarn braucht, um das Problem lösen zu können.“
Wird der Iran den USA helfen, die Lage im Irak zu stabilisieren? Man habe in Vergangenheit „sehr schlechte“ Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten gemacht und sei daher vorsichtig. „Wir haben den USA bei der Bonn-Konferenz zu Afghanistan im November 2001 sehr geholfen, ohne iranische Diplomatie hätte es damals keinen Kompromiss gegeben. Zum Dank hat [Präsident George W.] Bush den Iran in seiner Rede zur Achse des Bösen gezählt.“
Die Amerikaner sollen abziehen, die Verantwortung über die Sicherheit im Land solle der irakischen Regierung übertragen werden, sagt Araghchi. – Sofort? Der Vizeaußenminister gibt sich realistisch: Ein sofortiger Abzug würde das Chaos noch vergrößern, aber „wir brauchen eine Perspektive für einen Abzug der US-Truppen“. Araghchi betont das Interesse Irans an Stabilität im Nachbarland Irak. „Ich sehe das Risiko des Auseinanderfallens des Irak: Das Resultat wäre Chaos, ein Paradies für Terroristen und eine Flüchtlingskatastrophe ungeahnten Ausmaßes.“
Gibt es nicht auch die Gefahr eines breiteren Konflikts zwischen Schiiten (die Mehrheit der im Iran lebenden Bevölkerung gehört dieser Glaubensrichtung des Islam an) und Sunniten – im Irak und darüber hinaus? „Wir glauben, dass einige Mächte diesen Konflikt zum eigenen Vorteil schüren. Wir sind für Kooperation, wir versuchen, diesen Konflikt zu entschärfen.“
OMV-Geschäfte mit Iran
Auf die Kritik an dem 30-Milliarden-Dollar-Deal (22 Mrd. Euro) der OMV mit dem Iran antwortet Araghchi: „Diese Kritiker kennen die Realität nicht: Iran genießt ein hohes Maß an Stabilität, das Land hat ein hohes Potenzial. Wir haben mit Österreich stets gute Beziehungen unterhalten, Österreich und Iran profitieren vom guten Gesprächsklima zwischen beiden Ländern.
Die Presse: Kritisiert wurde aber nicht die Wirtschaftlichkeit des Projekts, sondern die Menschenrechtslage im Land, die antisemitische Rhetorik von Präsident Mahmoud Ahmadinejad und die Tatsache, dass der Westen mit Iran wegen seines umstrittenen Atomprogramms im Clinch liegt.
Araghchi bringt die von Ahmadinejad bekannten Argumente zum Holocaust vor: „Wenn es ein solch schlimmes Verbrechen gegeben hat, wer hat dieses Verbrechen begangen? Etwa die Palästinenser? Warum muss dieses Volk für die Verbrechen Europas bezahlen?“ Außerdem sollte man die historischen Fakten studieren und erforschen, was wirklich passiert ist.
An dieser Stelle mutiert das Interview zu einem Streitgespräch:
Die Presse: Ist es nicht arrogant, wenn Präsident Ahmadinejad uns Nachhilfe über unsere eigene Geschichte erteilen will?
Araghchi: Arrogant ist es, wenn der Westen uns über Menschenrechte und unser Nuklearprogramm belehrt.
Was die Gefahr einer möglichen Eskalation im Atomstreit betrifft, bleibt Vizeaußenminister Sayyed Abbas Araghchi gelassen: „Die Amerikaner wissen, was Amr Moussa, Generalsekretär der arabischen Liga gesagt hat: Der Krieg im Irak hat das Tor zur Hölle aufgestoßen, ein Krieg mit Iran wäre die Hölle selbst.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.05.2007)